DAS FESTIVAL »Sind noch Lieder zu singen?«


»Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen«, heißt es in Paul Celans Gedicht Fadensonnen aus dem Jahr 1965. Die Internationale HugoWolf-Akademie hat hinter dieses Zitat ein Fragezeichen gesetzt und in ihrem viertägigen, nach diesem Zitat benannten Liedfestival Antworten auf die Frage nach der Stellung des Kunstlieds in der Musiklandschaft des 21. Jahrhunderts gesucht. Diese Auseinandersetzung hat nicht zufällig im Jahr 2015 stattgefunden, da in Deutschland der 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung gefeiert wurde. Ziel des Festivals war auch, die Entwicklungslinien des Liedes in den beiden deutschen Staaten nach 1945 und im wiedervereinigten Deutschland von 1989 bis heute nachzuzeichnen. Das gewählte Datum war daher historischer Ausgangspunkt für einen Blick zurück und einen Blick nach vorn in die Zukunft des Liedes.
Den »Blick nach vorn« lieferten die Uraufführungen der zwölf neuen Liedkompositionen, die eigens für das Festival in Auftrag gegeben worden waren. Diese neuen Werke von Carola Bauckholt, Carsten Hennig, Gordon Kampe, Bernhard Lang, Jan Masanetz, Alexander Muno, Steffen Schleiermacher, Martin Smolka, Oscar Strasnoy, Iris ter Schiphorst und den Gewinnern des hierzu aufgelegten Kompositionswettbewerbs, Dennis Bäsecke-Beltrametti und Hans-Henning Ginzel, wurden in vier Konzerten mit Werken aus Ost und West von 1945 bis heute kombiniert. Bei diesem »Blick zurück« standen nicht nur die Heroen der klassischen Moderne, Paul Dessau, Hanns Eisler, Hans Werner Henze, Paul Hindemith, Mauricio Kagel, Wilhelm Killmayer, Györgi Ligeti, Siegfried Matthus und Aribert Reimann, auf dem Programm; auch Werke der mittleren Generation, von Hans-Jürgen von Bose, Wolfgang von Schweinitz, Wolfgang Rihm und André Werner, waren dabei. Hinzu kamen Kompositionen der jüngeren Generation, von Philipp Maintz, geboren 1977, und Jan Müller-Wieland, geboren 1966. Außerdem wurde das Festivalpublikum im ehemaligen Westen mit vielen der in der ehemaligen DDR wirkenden Komponisten näher bekannt gemacht: mit Andre Asriel, Boris Blacher, Max Butting, Reiner Bredemeyer, Wolfgang Fortner, Georg Katzer, Ernst Hermann Meyer, Thomas Müller, Peter Ronnefeld und Kurt Schwaen.
Axel Bauni und Steffen Schleiermacher haben vier inhaltlich und programmatisch fein aufeinander abgestimmte Konzertprogramme zusammengestellt, die in der Kombination aus Uraufführungen und Liedern aus den vergangenen 70 Jahren eine einmalige Werkschau ergeben. Die vier Konzerte gewähren so einen umfangreichen Einblick in die Entwicklung der Gattung »Lied« in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, der in der nun vorliegenden DVD-Edition auch audiovisuell festgehalten ist. 
Für alle vier Konzerte haben der Regisseur Lars Franke und der Lichtdesigner Chris Beckett ein besonderes Licht- und Raumkonzept entwickelt, das die Lieder im wahrsten Sinne des Wortes in einem neuen Licht jenseits der üblichen Konzertsituation präsentiert hat.
Zum Gelingen und zum Erfolg des Festivals, das eine äußerst positive Resonanz bei Publikum und Presse (auch überregional) hervorgerufen hat, haben nicht zuletzt die herausragenden Künstlerinnen und Künstler beigetragen, die in den vier Festivaltagen ein gewaltiges Pensum auf höchstem Niveau absolviert und dabei zudem eine enorme stilistische und künstlerische Bandbreite souverän und überzeugend bewältigt haben.  
Weitere Informationen, Impressionen und Auszüge aus der Videodokumentation in HD zum Projekt »Sind noch Lieder zu singen?« gibt es unter www.liedprojekt2015.org oder www.ihwa.de. Als Begleitmaterialien zum Festival sind ein ausführliches Programmbuch, eine separate DVD mit den Kommentaren der Komponisten der Uraufführungen sowie die DVD-Gesamtedition erschienen. Alle Publikationen zum Festival sind über die Geschäftsstelle der IHWA erhältlich.

Prof. Dr. Hansjörg Bäzner  
Vorsitzender des Vorstands                                    

Dr. Cornelia Weidner
Intendantin